„Ich empfinde Frauenquoten sogar als eine Beleidigung!“
BRANCHENINSIDE: Ursula Schibl übernahm 2015 die Geschäftsführung der AV Logistic Center GmbH in Wien und machte aus einem einst maroden einen gewinnbringenden Betrieb. Sie stellt sich auf die Seite der Mutigen – was sie damit meint, hat sie Verkehr exklusiv erklärt.
Für Ursula Schibl sind Mitarbeiterentwicklung, klimaneutrale Lager- und Logistikleistungen und Handschlagqualität Herzensangelegenheiten. Nach Jahren der Sanierung hat sie ihr Unternehmen wieder auf die Erfolgsspur gebracht. Grund genug für Verkehr, sie zu ihren Erfolgsgeheimnissen zu befragen.
Verkehr: Als Sie 2015 die AV Logistic Center GmbH übernahmen, ging es dem Unternehmen wirtschaftlich schlecht. Was waren Ihre ersten Maßnahmen, um aus der Schieflage herauszukommen?
Ursula Schibl: Am Anfang musste ich mir einen Überblick verschaffen und alle Prozesse analysieren. Daher habe ich zu Beginn, wie ein Trainee, an allen Arbeitsplätzen (vom Lager bis zur Kommissionierung) gearbeitet und rasch gesehen, dass viele Abläufe nicht optimal aufeinander abgestimmt und teilweise die Mitarbeiter falsch eingesetzt waren. Als Zweites habe ich den Einkauf analysiert, optimiert und die Kundenbetreuung auf neue Beine gestellt. Das Optimieren der Abläufe ist aber ein laufender Prozess, der praktisch nie abgeschlossen ist.
Mit welchen Herausforderungen mussten Sie speziell im ersten Jahr kämpfen?
Schibl: Das Vertrauen der Mitarbeiter zu gewinnen, war sicherlich die schwierigste Aufgabe.
Wie ist Ihnen das gelungen?
Schibl: Zu Beginn habe ich den Mitarbeitern ganz klar gesagt, in welch schwieriger Situation sich das Unternehmen befindet und dass, wenn wir nicht alle an einem Strang ziehen und es uns nicht gelingt, die AV Logistic zu retten, wir alle unsere Jobs verlieren. Mein Motto lautet: Wir sitzen alle in einem Boot und müssen gemeinsam rudern – und wer nicht rudern will, muss sich ein anderes Boot suchen. Der Kapitän bin ich und ich lege auch den Kurs fest. Für den Vertrauensaufbau war es sicherlich auch wichtig, dass ich gerade am Anfang sehr viel in der Kommissionierung und im Lager mitgearbeitet habe. Damals war ich die Erste, die gekommen, und die Letzte, die gegangen ist. So war ich auch oft am Wochenende im Betrieb. Ich wollte einfach von jedem Arbeitsplatz jeden Handgriff selbst kennen. Zusätzlich sprach bzw. spreche ich viel mit meinen Mitarbeitern, denn schließlich sind sie die Spezialisten, und frage sie nach ihrer Meinung, wenn es um die Optimierung der Prozesse geht. Bei jedem neuen Auftrag stehe ich selbst am Beginn dabei und entwickle mit meinen Mitarbeitern gemeinsam den optimalen Ablauf.
Wie sieht Ihre Managementphilosophie aus?
Schibl: Ganz oben steht für mich der Mut zur Verantwortung und Entscheidung. Wenn ich neue Mitarbeiter einstelle, ist für mich weniger die fachliche Kompetenz (das meiste kann man lernen) entscheidend, sondern mehr die Entschlossenheit, der Wille und die Bereitschaft zu lernen.
„Der Mensch steht im Mittelpunkt“ steht auf Ihrer Homepage. Was bedeutet das für Sie?
Schibl: Mir ist der wertschätzende Umgang mit den Kunden, aber auch innerhalb der Belegschaft sehr wichtig. Ich führe jährlich Mitarbeitergespräche. Ich fasse dann das allgemeine Feedback zusammen und stelle dies den Mitarbeitern gemeinsam vor. Dann diskutieren wir darüber und beschließen gemeinsam, wie wir im kommenden Jahr zusammenarbeiten wollen. Ich nehme auch immer wieder Praktikanten vom Arbeitsmarktservice bzw. vom Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum auf und unterstütze sehr gerne Menschen, damit sie wieder ins Berufsleben zurückfinden. Neben der fachlichen Schulung geht es mir vor allem darum, bei diesen teilweise schon länger arbeitslosen Menschen das Selbstbewusstsein und die Selbstsicherheit wieder aufzubauen.
Was sagen Sie zu Frauenquoten?
Schibl: Davon halte ich überhaupt nichts. Ich empfinde Frauenquoten sogar als eine Beleidigung! Bei Postenbesetzungen ist es mir ganz egal, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Wichtig ist, dass die Person geeignet ist! Hausverstand, soziale Kompetenz, Bildung und die Bereitschaft, Dinge umzusetzen, sind wichtig.
Haben Sie Tipps an junge Menschen?
Schibl: Lasst euch eure Träume nicht mies machen. Nützt die Vielfalt an Ausbildungsmöglichkeiten entsprechend euren Vorlieben und Talenten.
Kommen wir nun zurück zum Unternehmen. Wenn Sie nun die Vergangenheit und die Gegenwart vergleichen, wie hat sich die Produktivität entwickelt?
Schibl: Wir bearbeiten heute mehr Aufträge in kürzerer Zeit und mit weniger Mitarbeitern. 2015 arbeiteten in der AV Logistic 21 Mitarbeiter, heute sind es 12. Ein weiterer Zahlenvergleich: Allein beim Sammelgut (und das macht nur einen Teil unserer Tätigkeit aus) haben wir 2015 rund 70.000 Pakete bearbeitet, 2018 waren es ca. 78.000 Pakete. Diese Produktivitätssteigerung ist uns durch die schrittweise Optimierung aller Arbeitsabläufe, ohne Einsatz von neuen technischen Hilfsmitteln bzw. Automatisierung, gelungen – darauf sind wir wirklich stolz!
Sie bieten klimaneutrale Lager- und Logistikleistungen an. Was bedeutet das?
Schibl: Wir versuchen so viel Strom wie möglich über unsere eigene Photovoltaikanlage, die sich auf unserem Dach befindet, zu erzeugen. 2018 haben wir rund 37 Prozent unseres Strombedarfs selbst produziert. Wenn man dann noch die Menge an Strom hinzurechnet, die wir an Tagen, wenn wir Strom nicht verbrauchen (u. a. Wochenenden), ins Stromnetz einspeisen, liegen wir bei 43 Prozent.
Welche Maßnahmen setzen Sie in Richtung Klimaneutralität?
Schibl: Wir besitzen keine Dieselfahrzeuge mehr, da wir sie nicht ausgelastet haben. Ich habe mich auch länger damit beschäftigt, vielleicht einen Elektro-Pkw als Firmenauto anzuschaffen. Nach eingehender Prüfung habe ich davon wieder Abstand genommen, da ich mit der Produktion und der Entsorgung der Elektrobatterien nicht zufrieden bin. Ich lege auch großen Wert auf Mülltrennung. Wir sammeln u. a. unsere Folienabfälle und verwenden diese (in Abstimmung mit unseren Kunden) z. B. als Füllmaterial für Glaslieferungen.
Wo liegt das Kern-Know-how von AV Logistic?
Schibl: Neben der Ein- und Auslagerung sind wir vor allem auf die Kommissionierung bzw. Feinkommissionierung und den Displaybau für die Werbebranche, Banken, Tankstellen, Spielzeug- bzw. Haushaltswaren spezialisiert. Für einen großen Tankstellenbetreiber betreuen wir auch dessen E-Shop, d. h., die Tankstellenpächter bestellen über dieses System u. a. Werbemittel bei uns. In unserem Hochregallager haben wir 6.000 Stellplätze und über 5.000 m2 frostfreie Lagerfläche.
Wie soll sich die AV Logistic in den kommenden fünf bis zehn Jahren weiterentwickeln?
Schibl: Ich strebe eine Verdoppelung der Lagerfläche und einen Ausbau unserer Kommissioniertätigkeit sowie des Displaybaus an. Wir sind hier schon in Verhandlungen mit Kunden.
Vielen Dank für das Gespräch!